Die Arabische Reise

Idee und Konzept: Jörg Thums
Künstlerische Leitung/Performance: Jörg Thums
Projektleitung/Dramaturgie/Performance: Lutz Kessler
Wissenschaftliche Beratung/Performance : Dr. Ahmad Sagheer
Schauspiel: Gerrit Neuhaus

Im März 2015 bereisen der Performer Jörg Thums, der Dramaturg Lutz Keßler, sowie der am Lehrstuhl für Arabistik und Islamwissenschaft in Göttingen lehrende Dr. Ahmad Sagheer von Ägypten ausgehend den Arabischen Raum. Ausgangspunkt bildete die wissenschaftlich motivierte ‚Arabische Reise’ (1761-1767) und deren Beschreibung des einzig überlebenden Expeditionsteilnehmers Carsten Niebuhr.

Iniitiert von dem Göttinger Theologen und Orientalisten Johan David Michaelis, setzte die Forschungsexpedition die Ideale der europäischen Aufklärung in überterretoriale Zusammenhänge. Michaelis richtete die Ziele der Reise hoffnungsvoll darauf aus, aus den interkulturellen Begegnungen sowohl naturwissenschaftliche, wie auch sprachwissenschaftiche Erkenntnisse über die Schriften des Alten Testaments und des Korans in Erfahrung bringen zu können. Auch wurden detailierte Informationen über das Alltagsleben gesammelt. Die unter Carsten Niebuhrs Leitung vollzogenen ‚Arabische Reise’, die als Blaupause für eine interkulturelle und – religöse Begegnung auf Augenhöhe hätte dienen können, hatte unabänderliche Konsequenzen. Denn, die von dem Kartografen Niebuhr angefertigte Seekarte des Roten Meers ermöglichte später die Koloniaisierung des „Glücklichen Arabien“ durch England und trug eben hiermit zu jener postkolonialen Nationalstaatenbildung bei, deren Spätfolgen den Arabischen Raum derzeit erschüttern.

‚Die Arabische Reise’ machte es sich zur Aufgabe, die Zeit des Vor- oder Frühkolonialen mit der Zeitebene nach dem Arabischen Frühling zu verweben. So bedient sich die Textur der Inszenierung an den Beschreibungen und Dokumente der historischen Reise, um den Verlauf des Abends zu rahmen. Dem zur Seite gestellt werden Dokumente, Beschreibungen und Erinnerungen geführter Gespräche mit Künstlern, politischen Aktivisten, Wissenschaftlern und Agenten des Alltags zur gegenwärtigen politischen, sozialen und kulturellen Situation. Ferner wird die historische Differenz durch das erneute Aufsuchen der von Niebuhr beschriebenen Orte zur Diskussion gestellt, indem bspw. unser Blick nicht mehr an Heiligen Inschriften festhält, sondern einem Interesse an Graffittis oder Street-Art gewichen ist.

Den narrativen Rahmen der Inszenierung bildet die dreibändige Überlieferung der “Arabischen Reise“ von Carsten Niebuhr. Die Reiseberichte und thematischen Exkurse werden von drei Akteuren in Form szenischer Miniaturen, Schilderungen, sowie der Präsentation historischer Dokumente vermittelt. Zu den Dokumenten zählen hunderte von Zeichnungen, Kupferstiche und Landkarten, die der visuellen Ebene eine Gesamtstruktur geben.

Durchsetzt wird die historische Rahmenerzählung mit gesammelten Materialien der neuerlich durchgeführten Reise. Explizit orientierte sich das Forschungsdesign der aktuellen Reise an einem 100 Fragen umfassenden Katalog an inhaltlichen Fragestellungen und Handlungsanweisungen. Hierin werden aktuelle gesellschaftliche Phänomene, wie Graffitti, Street Art und andere Strategien von politischem Aktivismus verhandelt. Gleichermaßen werden aber auch Grundprinzipien alltäglicher Verhältnisse festgehalten, um sie innerhalb der Präsentationen auf der Bühne abzubilden. Für die Erarbeitung aktueller Fragen wurden Agenten aus verschiedenen Feldern der Wissenschaften und Künste hinzugezogen. Womit wir dem Beispiel Johann David Michaelis’ folgen, der bereits für die historische Reise gemeinsam mit den Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen einen solchen Fragenkatalog erstellte.

Die aus den Auseinandersetzungen resultierenden Erkenntnisse werden durch Einspielungen vorproduzierter Audio-, Video- und Fotodokumente, Live-Präsentationen mitgebrachter Exponate, sowie skizzenhafter Zeichnungen mittels Top-Down-Kameras und Rezitationen aus den Reisetagebüchern als weitere Ebenen die Rahmenerzählung kontrastieren.

So entsteht ein performativer Echoraum, in dem frühhumanistische und postkoloniale Perspektiven zum Klingen gebracht werden.

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Die Expedition wurde im März 2015 unternommen. Die Performance wurde im Mai 2015 im Deutschen Theater Göttingen realisiert.